Dienstag, 22. Dezember 2009

Paris - nochmal "mein" Paris


Die Seine-Metropole war bereits schon einmal Gegenstand eines Artikels hier auf diesem Blog. Und auch meine Artikel auf einem meiner anderen Blogs erzielte eine erfreuliche Anzahl an Aufrufen. Und wie ich aus Rückmeldungen auch per Mail erfahren habe, stießen die Pariser Alltags-Szenen auf ganz besonderes Interesse. Das nächtliche Paris, die Bars, die Kellner und die Flaneure auf den Boulevards. Der morgendliche und abendliche Verkehr, der die Pendler aus den Banlieus und zurück bringt. Die Hektik. Die Szenen "en passant". Eben das Paris der Pariser. Es freut mich, daß es mir gelungen ist, Leser und Zuschauer quasi "eintauchen" zu lassen in den Pariser Alltag. Großen Anteil daran hat natürlich auch mein Freund und Kollege Roland Schmitt, der mit der Filmkamera unterwegs war. Das bewegte Bild als optimale Ergänzung zum "Standfoto". Und eben zwei Freunde, die mit dem gleichen "Feeling" an das schwierige Thema "Das Paris des Alltäglichen" herangegangen sind.


Grund genug, meiner Lieblingsstadt noch einen Beitrag zu widmen und noch etwas aus dem "Nähkästchen" des Fotoreporters zu plaudern. Sicher hat es Paris nicht notwendig, daß ausgerechnet ich für diese Stadt die Werbetrommel rühre. Aber ich habe das Anliegen "mein" Paris dem Publikum näher zu bringen. Mein Paris der kleinen Leute. Der Verkäuferinnen in den Grands Magasins, der jungen Frau am Empfang des Hotels, die uns nach nächtlichen Streifzügen nochmal weit nach Mitternacht in der Lounge ein Bier servierte. Das Paris der Rentner und Bar-Besitzer. Der höchstselbst spätnachts zum Besen greift, saubermacht und morgens in aller Herrgottsfrühe wieder den ersten Pendlern einen Café au lait und zwei Croissants auf den Tisch stellt.

Auch wenn ich oft genug in und um Paris mit dem Auto unterwegs gewesen bin, so bevorzuge ich doch die Anreise mit der Bahn. Mit dem Nachtzug. Morgens in der ersten Dämmerung ankommen an der Gare de l'Est. In einer der umliegenden Bars verschlafen frühstücken. Ein großer heißer Milchkaffee und die obligatorischen zwei Croissants. Fett und vor Butter triefend. Warm. Frisch vom Bäcker. Einige Stücke frisches Baguette mit Butter. Eventuell sogar mit Marmelade. Sehr süß. Sehr klebrig. Das ist genau der richtige Einstieg. Noch einen Kaffee und anfangen zu beobachten. Die Menschen um mich herum. Die auch ihren ersten Kaffee schlürfen. Auch au lait. Oder express, schwarz, stark, süß. Mit zwei Würfeln Zucker. Wohlgemerkt, die französischen Zuckerwürfel sind etwas größer als die deutschen.


Und an diesen frühen Morgen erscheint das erwachende Paris noch gar keine Millionenstadt zu sein. Irgendwo klappert ein Kehrichtbesen. Irgendwo rauscht das Wasser, mit dem die Straßenrinne gesäubert wird. Irgendwo hängt der Duft einer Gauloise in der Luft. In irgendeiner Bar steht ein Fremdenlegionär am Tresen. Mit messerscharfer Bügelfalte und mit dem Képi blanc. Den Seesack neben sich. Der Urlaub ist vorbei und es geht zurück in die Garnison. Und heutzutage dann vielleicht auch nach Afghanistan. Früher war es eher der Libanon. In diesen frühen Morgenstunden sind die Menschen mundfaul. Alles ist irgendwie noch träge und verschlafen. Ganz anders als das pulsierende und irgendwie immer etwas hektische nächtliche Paris auf den Boulevards.



Die Randszenen, die Menschen auf den Straßen und Plätzen, die verschiedenen sozialen Gruppierungen, dicht an dicht, auf engstem Raum, erregten die Aufmerksamkeit der Leser und der Zuschauer. Insgesamt eben das unbekannte Paris, das Paris abseits der touristischen Sehenswürdigkeiten. Bzw. das Leben der Menschen im Umfeld dieser Sehenswürdigkeiten. Das normale Alltagsleben. Ich glaube, ich habe es schon mehrfach geäußert: Ich interesse mich nicht in erster Linie für den Eiffelturm im besten Licht, die fünfhunderttausendste Ansicht des Arc de Triomphe mit dem 180-er oder noch eine neue Postkarte vom Louvre, dem Invalidendom oder Nôtre Dame. Das fotografiere ich, natürlich, auch. Aber was mich in erster Linie interessiert, das sind die Menschen, die in einer Stadt leben. Mit ihnen ins Gespräch kommen. "Vous permettez moi vous photographer, s'il vous plait?" bringt einem selten einen Korb ein. Und daß ich einen Clochard bezahle oder ihm eine Schachtel Zigaretten schenke, das ist "obligatoire".



Auch das "strollen" durch die Stadt, das Bummeln, Filmen und Fotografieren, auch alles, wie es scheint, so en passant, das scheint auch nicht uninteressant zu sein. Auch, daß der Kameramann den Fotografen filmt. Bei der Arbeit. Diese gewisse Lässigkeit und Unbekümmertheit, mit der ich durch die Millionenstadt streife, die Kamera hebe, das Motiv erfasse, fotografiere und weitergehe. Hier eine Szene erkennen. Dorthin den Blick. Eindrücke aufnehmen und dann mit den Mitteln der Fototechnik visualisieren.

Die Unbekümmertheit auch, mit der ich die allgegenwärtigen Taschendiebe einfach zu ignorieren scheine. Keine Angst davor, daß mir jemand meine teuren Kameras entwenden könnte. Aber das ist die professionelle Routine. Denn das ist keine Unbekümmertheit. Kein Dieb käme an meine Ausrüstung. Denn weder hängen die Fotoapparate einfach lässig über der Schulter noch die Tasche. Da ist nicht wirklich Sorglosigkeit. Und der professionelle Dieb erkennt natürlich auf Anhieb, daß ich meine Sachen "im Griff" habe. Und sieht auch, daß ich mir in einer Bar den Tragegurt der Fototache um das Bein wickle und sie zusätzlich zwischen die Füße klemme. Und den Kamerariemen mehrfach ums Handgelenk wickle.

Und wenn's einer doch mal versuchen sollte: Ich kann auch sowas von auf französisch fluchen! Und ich verstehe auch Pariser Baratin, Argot und Verlan. Tut ein Tourist üblicherweise nicht. Den potentiellen Dieb schreckt's (vielleicht) ab und bei "normalen" Menschen öffnet es die Herzen.




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